Seelen-Vitamine


1. Wie bist Du in die “Schieflage geraten”?

Die Schieflage ist langsam entstanden durch ein Arbeitsumfeld, das über Jahre immer frustrierender und belastender wurde. Dazu kam, dass innerhalb kurzer Zeit mehrere Familienmitglieder schwer erkrankten und eine langjährige Beziehung unschön endete.

2. Wann hast Du bemerkt, dass es so nicht weitergehen kann?

Ich wusste schon lange, dass ich an meiner Belastungsgrenze angekommen bin und sie auch immer mal überschritten habe. Ich dachte aber, ich würde alles noch bewältigen können und habe die Anzeichen von Überlastung zu lange ignoriert. Kritisch wurde es, als ich wegen Kleinigkeiten übertrieben aggressiv reagiert habe. Und trotz der Reduzierung meiner Arbeitsstunden auf eine 4-Tage-Woche haben die 3 freien Tage nicht mehr ausgereicht, um mich für die nächsten 4 Arbeitstage zu erholen.

3. Hast Du gleich einen “Burnout / Erschöpfungs Depression” als Verursacher Deiner verschiedenen Symptome vermutet?

Auch wenn ich es mir nicht offen eingestanden habe, war es mir eigentlich schon klar.

4. An wen hast Du Dich schließlich gewendet, wer konnte Dir erklären, was wirklich mit Dir los war?

Ich bin eigentlich wegen eines eingeklemmten Daumens zu meiner Hausärztin und die hat schnell erkannt, was los ist. Nach einer „Atempause“ von einem Monat, in der sie mich krankgeschrieben hat, gab es ein längeres Gespräch mit ihr. Sie hat mir eine ambulante Psychotherapie empfohlen, die ich dann auch gemacht habe.

5. Was denkst Du, waren die Ursachen für Deinen Ausfall?

Auf den Punkt gebracht: Ich hatte in mehreren Bereichen (Beruf und Familie) für lange Zeit zu große Belastungen und ich habe keinen Weg gefunden, sie zu reduzieren oder irgendwie auszugleichen.

Im Beruf hätte ich den Arbeitsdruck abbauen können, indem ich Arbeiten meinen Kollegen noch zusätzlich aufbürde. Über die oft unsinnigen Vorgaben, sich widersprechende Anweisungen und Dinge, die ich umsetzen musste, obwohl ich sie nicht für richtig hielt, hat sich immer mehr Frust aufgebaut. Und bei den schweren Erkrankungen in meiner Familie war meine Unterstützung gefragt, deshalb habe ich da meine eigene Gesundheit hinten an gestellt.

6. Bist du mit dem Deinem Problem gleich offen umgegangen oder hast Du es erst einmal für Dich behalten?

Ich bin bei meinen direkten Kollegen (im Team), im Freundeskreis und der Familie gleich offen damit umgegangen. Da meine Schwester schon länger an Depressionen leidet, war das Thema in der Familie kein Tabu und auch im Freundeskreis hatten einige schon eigene Erfahrungen oder im näheren Umfeld damit gemacht.

7. Was genau hast Du getan, um aus der Krankheit herauszufinden?

Ich nehme Antidepressiva und war bis vor kurzem (insgesamt 5 Jahre) in ambulanter Psychotherapie, zusätzlich in teilstationärer Therapie.
Dort bin ich mit Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch orientierter Therapie und verschiedensten Formen, sich auszudrücken und seine Bedürfnisse wahrzunehmen, in Kontakt gekommen. Es muss jeder Mensch für sich herausfinden, was für ihn oder sie funktioniert und was etwas bringt oder eben auch nicht. Es sind viele kleine Schritte nötig und man muss sich auch kritisch mit sich selbst auseinandersetzen, es gibt natürlich auch Rückschläge.
Die letzten 5 Jahre waren ein sehr kurvenreicher Weg auf der Reise zu mir selbst und den gehe ich immer noch.

8. Was machst Du heute im Job, mit der Familie und in der Freizeit anders als vor Deinem Ausfall?

Lange Zeit wusste ich nur, was ich nicht (mehr) will. Mit der Zeit kristallisiert sich aber immer mehr heraus, was ich will und welche Bedürfnisse ich habe. Das habe ich tatsächlich lange Zeit gar nicht wahrgenommen. Inzwischen nehme ich mich und das, was mir guttut, viel wichtiger als früher.

Das beste Beispiel ist mein Hund Levi. Ich liebe Tiere, aber ich habe meinem Beruf zu hohen Stellenwert gegeben und wegen der vielen dienstlichen Reisen auf ein Haustier verzichtet. Nun habe ich den liebsten Hund der Welt und kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Wir haben letztes Jahr die Ausbildung zum Besuchshunde-Team gemacht und wenn die Coronazahlen es zulassen, werden wir in Altenheimen, Behinderteneinrichtungen etc. zu Besuch kommen und den Leuten dort eine fröhliche Zeit bescheren. Und Levi und ich werden ganz sicher auch großen Spaß dabei haben.

Und ich bin mir gegenüber netter geworden, sprich mein eigener Anspruch mir gegenüber ist nicht mehr so gnadenlos. Ich darf auch mal (oder mal öfter) keine Lust haben, was nicht zu Ende bringen oder nur das Nötigste tun usw.

9. Wie stehst Du heute zu Deinem Burnout? Gehst Du offen damit um?

Ich finde, psychische Krankheiten müssen viel öfter thematisiert werden. Sie sind kein persönliches Versagen oder machen einen gleich zum potenziellen Amokläufer und es kursieren jede Menge völlig falsche Vorstellungen bei Nicht-Betroffenen. Ich bin erstaunlich oft auf Verständnis und Interesse gestoßen, wenn ich von mir erzählt habe.
Bei Vorgesetzten hatte ich allerdings immer mal das Gefühl, dass das Schlagwort „Burnout“ oder „Depression“ einen in eine Schublade steckt und es besonders da noch an Wissen fehlt.

10. Was möchtest Du uns noch zum Thema erzählen?
Ich habe fertig 😉

Herzlichen Dank Gabi für Deine Zeit und für Deine Offenheit.

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